[ano hito] Sidney Lewis Gulick, Missionar

ano hito (dt. jene Person)
ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren
Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen
möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^

 Sidney Lewis Gulick (1860-1945) 

Das Land lag einem amerikanischen Missionar so sehr am Herzen, dass er Mitte der 20er ein sehr schönes Projekt initierte, um die japanisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern.

Sidney Lewis Gulick wurde am 10. April 1860 auf den Marshallinseln geboren. Seine Eltern und seine Großeltern sind ebenfalls Missionare gewesen, weshalb er auch diese Laufbahn einschlug. Seine Schulbildung erhielt er in den Staaten.

Kurz nach seiner Heirat 1887 reiste Gulick nach Japan, wo er für die amerikanische Auslandsmissionsgesellschaft arbeitete. Er erlernte schnell die japanische Sprache, so gut, dass er darin Reden halten konnte und auch Bücher schrieb. An mehreren Schulen und Universitäten unterrichte er Englisch, Naturwissenschaften sowie Religion.

Als Gulick 1913 in sein Heimatland zurückkehrte, stellte er bestürzt fest, dass japanische Einwanderer bzw. japanischstämmige Amerikaner immer stärker diskriminiert wurden. Er kämpfte gegen anti-asiatische Gesetze und forderte Gleichbehandlung für alle – unabhängig von Herkunft, Religion und Rasse. Mit dem Immigration Act von 1924 fand die Diskriminierung von Asiaten einen Höhepunkt, als asiatische Länder aus dem pazifischen Raum von der Einwanderung in den Staaten ausgeschlossen waren, da ihre Rasse „unerwünscht“ sei.

Am 26. Mai 1924 unterschrieb US-Präsident Calvin Coolidge das Immigration Act.

Gulick, dem die Vision von Weltfrieden wichtig war, kam zu dem Schluss, dass ein produktiver internationaler Austausch nur über Kinder stattfinden könnte und schuf daher das „Committee on World Friendship Among Children“. Dessen Projekt bestand darin, japanischen Kindern zum hinamatsuri (Puppenfest) am 3. März 1927 Puppen – sogenannte Friendship Dolls – zu schicken.

Die amerikanische Öffentlichkeit zeigte sich davon begeistert und insgesamt wurden 12739 Puppen im Namen der amerikanischen Kinder an Schulen in ganz Japan geschickt. Jede Puppe enthielt einen Brief, dessen Inhalt die Freundschaft zwischen den beiden Ländern betonte.

Inspiriert von Gulicks Projekt regte der japanische Unternehmer Eiichi Shibusawa (1840-1931) – der Vater des japanischen Kapitalismus – einen Puppenaustausch zum Dank an die Amerikaner an.

Eiichi Shibusawa mit zwei der Friendship Dolls (1927)

Die besten Puppenmacher des Landes wurden damit beauftragt, 58 Puppen zu produzieren. Die etwa 80 Zentimeter großen Puppen wurden in wunderschönen Seidenkimonos eingekleidet und bekamen jeweils einzigartige Accessoires, die zu ihnen passten. Jede Puppe sollte für eine bestimmte Präfektur, Region oder Stadt stehen, darum bekam jede einen Namen wie Miss Japan, Miss Hiroshima oder Miss Okinawa. Noch im gleichen Jahr wurden sie im Namen aller japanischen Kinder in den Staaten geschickt.

Die Puppen kamen bei den Amerikanern sehr gut an. Auch Gulick zeigte sich begeistert von dieser Geste und er wurde zu einem Empfang beim japanischen Botschafter in Washington D.C. eingeladen, wo die japanischen Puppen erstmals vorgestellt wurden. Diese Puppen gingen in ganz USA auf Tour, wo sie in vielen Städten gezeigt wurden. Am Ende wurden sie dann in Museen, vorzugsweise Kindermuseen, ausgestellt.

Sidney Lewis Gulick in Washington D.C. bei der japanischen Botschaft (Dezember 1927)

Sidney Lewis Gulick wurde 1934 für seine Verdienste von Kaiser Hirohito
mit einem Orden des heiligen Schatzes in der dritten Verdienstklasse
geehrt, was dem Rang eines Kommadeurs entspricht. Er bemühte sich
weiterhin um eine Versöhnung zwischen den beiden Ländern, doch die
imperialistische Politik der Japaner in Ostasien sowie im Pazifikraum ließ die Fronten verhärten.

Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 kam es schließlich zum Krieg. In Japan wurden auf Befehl der Regierung viele amerikanische Friendship Dolls zerstört, da man in ihnen den Feind sah. Von über 12000 Puppen überlebten bekanntlich nur 334 den Krieg, die heute mit größter Sorgfalt in einigen Museen ausgestellt werden. Die 58 japanischen Puppen haben den Krieg wohlbehalten überstanden, gerieten jedoch später in Vergessenheit, weshalb auch einige von ihnen im Laufe der Jahre verloren gegangen sind. Hier ist eine Liste der Aufenthaltsorte der japanischen Puppen samt Fotos.

Aufgrund seiner Bemühungen für Frieden mit Japan zu sorgen und seines Einsatzes für die japanischstämmigen Amerikaner wurde Gulick während des Krieges in der amerikanischen Wahrnehmung als Kollaborateur mit dem Feind gesehen. Ihm wurde sogar vorgeworfen, als Spion für die Japaner agiert zu haben.

Sidney Lewis Gulick konnte das Ende des Zweiten Weltkriegs miterleben. Er starb am 20. Dezember 1945 in Idaho.

Die amerikanischen Friendship Dolls werden oft mit Ujō Noguchis Kinderlied „Aoi Me No Ningyou“, das 1921 entstand, in Verbindung gebracht. Es soll Gulick als Inspiration für das Projekt gedient haben.

 Aoi Me No Ningyou (Blue-Eyed Doll) 

aoi me o shita oningyou wa
amerika umare no seruroido

nihon no minato e tsuita toki
ippai namida o ukabeteta

watashi wa kotoba ga wakaranai
maigo ni nattara nantoshoo

yasashii nihon no jouchan yo
nakayoku asonde yattokure
nakayoku asonde yattokure

Blue-eyed doll from
Amerika, born of celluloid plastic.

When she arrived at a harbor in Japan,
her eyes were watering with tears.

I don’t know the language of this country.
What if I become lost?

Nice little Japanese girls, please,
be my friend and play with me,
be my friend and play with me.

zum Video des Liedes „Aoi Me No Ningyou“

Ich mag diese Geschichte sehr und ich finde es sehr schade, wie das alles geendet hat und dass Sidney Lewis Gulick mit seinen Friendship Dolls sozusagen in Vergessenheit geraten ist.

Wie findet ihr dieses Projekt? Habt ihr schon mal davon gehört? ^___^

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