[ano hito] Misuzu Kaneko, Dichterin
ano hito (dt. jene Person) ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^
Misuzu Kaneko (1903-1930)
Misuzu Kaneko wurde am 11. April 1903 als Teru Kaneko in einem Fischerdorf in der westjapanischen Yamaguchi-Präfektur geboren. Ihr Vater starb, als sie drei war und so erzog ihre Mutter, die eine Buchhandlung führte, sie allein. Im Gegensatz zu den meisten japanischen Mädchen verließ sie die Schule nicht nach der sechsten Klasse, da ihrer Mutter Bildung sehr wichtig war. Teru war ein intelligentes Mädchen, das gerne Bücher las und vieles hinterfragte. Nach ihrer Schulzeit arbeitete sie in der Buchhandlung und fing an, unter dem Namen „Misuzu“ ihre Erinnerungen als Gedichte für Kinder zu schreiben. Sie schickte sie an einige Magazine, die zu ihrer Überraschung veröffentlicht wurden. Im Alter von zwanzig Jahren war sie bereits eine gefragte Dichterin.
Trotz des Erfolgs war Misuzu unglücklich in ihrem Privatleben, da ihr Mann sich bei Prostituierten vergnügte und sie auch mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt hatte, unter der sie stark litt. Außerdem zwang er sie dazu, mit dem Schreiben aufzuhören. Ihre einzige Freude in dieser schweren Zeit war ihre kleine Tochter Fusae. Schließlich entschied sie sich dazu, die Scheidung einzureichen, verlor aber jedoch das Sorgerecht für ihre Tochter, da nach damaligen Gesetzen der Vater bei einer Scheidung automatisch das Sorgerecht hatte. Am Abend des 10. März 1930 beging sie Selbstmord. In einem Brief an ihren Ex-Mann bat sie ihn darum, dass ihre Mutter sich um Fusae kümmern sollte, eine Bitte, die er schließlich erfüllte.
Die meisten Werke von Misuzu Kaneko gerieten in Vergessenheit bzw. wurden in den Wirren des Krieges zerstört, bis in den 60ern der Student Setsuo Yazaki auf ein Gedicht von ihr aufmerksam wurde und mehr über sie erfahren wollte. Es dauerte 16 Jahre, bis er Misuzu Kanekos Bruder ausfindig machen konnte und von ihm ihre Geschichte erfuhr sowie einige Journals mit vielen unveröffentlichten Gedichten erhielt. Alle 512 Gedichte wurden schließlich veröffentlicht und bald gehörten sie schon zum Lehrplan an den Grundschulen.
Am 11. März 2011 verloren über 15000 Menschen bei der Erdbeben- und Tsunamikatastrophe in Ostjapan ihr Leben, mehr als 200000 Menschen wurden obdachlos. Aus Respekt gegenüber den Opfern wurde im japanischen Fernsehen keine Werbung gezeigt, stattdessen wurden öffentliche Durchsagen gemacht. Eine davon war das Gedicht „Kodama deshou ka“ von Misuzu Kaneko, um Menschen für die Freiwilligenarbeit in den Katastrophenregionen zu motivieren.
Are you an echo?
If I say, „Let’s play?“
you say, „Let’s play!“
If I say, „Stupid!“
you say, „Stupid!“
If I say, „I don’t want to play anymore,“
you say, „I don’t want to play anymore.“
And then, after a while,
becoming lonely
I say, „Sorry.“
You say, „Sorry.“
Are you just an echo?
No, you are everyone.Kodama deshou ka
„Asobou“ tte iu to
„Asobou“ tte iu.
„Baka“ tte iu to
„Baka“ tte iu.
„Mou asobanai“ tte iu to
„Asobanai“ tte iu.
Soushite, ato de
samishiku natte,
„Gomen ne“ tte iu to
„Gomen ne“ tte iu.
Kodama deshou ka,
iie, dare demo.
Dieses Gedicht von Misuzu Kaneko – eine Autorin, deren Werke beinahe für immer in Vergessenheit geraten wäre – berührte viele Millionen Zuschauer und gab den Opfern Trost und Hoffnung. Fast eine Million eilten nach Ostjapan, um dort mitzuhelfen.
Das Buch kann ich wärmstens empfehlen. Ich habe mich sofort in Misuzu Kanekos Gedichte verliebt, da sie mich total ansprechen. Oft kommt mir da der Gedanke „So habe ich das noch nie betrachtet“. Es macht mich schon fast wütend zu wissen, wie unglücklich sie in ihrer Ehe gewesen ist, denn aus einem Gedicht im Buch klar, dass sie sich bemüht hat, alles positiv zu sehen. Wirklich sehr traurig…
Am liebsten würde ich jetzt noch mehr von ihr lesen… am liebsten alle 512 Gedichte. Mein Lieblingsgedicht (von vielen Favoriten) ist übrigens…
Dirt Thwack, thwack –
dirt struck with a hoe
makes a good field
for wheat to grow.Dirt trod on
from morning to night
makes a good road
for carts to travel on.What about dirt not struck
nor trod on –
is it useless?No – it’s where
all the nameless grasses
find a home.Tsuchi Kottsun, kottsun,
butareru tsuchi wa,
yoi hatake ni natte,
yoi mugi umu yo.Asa kara ban made,
fumareru tsuchi wa,
yoi michi ni natte,
kuruma o toosu yo.Butarenu tsuchi wa,
fumarenu tsuchi wa,
iranai tsuchi ka.Ie ie, sore wa
nanonai kusa no
oyado o suru yo.
Wie findet ihr’s? ^____^
Habt ihr schon mal von Misuzu Kaneko gehört?
Vielen Dank für diesen interessanten Post. Tatsächlich habe ich bisher noch nie von Misuzu Kaneko gehört – eine wirklich traurige Lebensgeschichte! Die Gedichte lesen sich aber sehr schön.Bin schon gespannt, welche Menschen du noch vorstellen wirst!
Danke, das freut mich. 🙂
Konban wa, Hotaru san."Dem Leben scheint Gerechtigkeit belanglos. Aber es sind Menschen, die Unrecht begehen. Es sind Menschen, denen es obliegt jedem ein Recht zuzubilligen."(Imogen Narvaile)Wäre anmerkenswert zu wissen, ob Misuzu Kaneko den Buchladen-Angestellten aus Liebe heiratete, oder ob sie eine "Vernunftehe" einging, weil es nicht mehr als schicklich angesehen wurde in Ihrem Alter unverheiratet zu sein. Charakterlich jedenfalls scheint der Ehemann ein Totalausfall gewesen zu sein. Nicht nur seine Untreue, sein Verbreiten einer Geschlechtskrankheit – nein, er verbietet Ihr auch noch sich künstlerisch auzudrücken. Wie man es nächtens fertig bringt zu schlafen, wenn man ein Leben auf dem Gewissen hat!?Aber vermutlich hielt sich der moralische Wicht für etwas besseres, nur weil (zufällig) ein Mann. Das Erhabene wird oft vom Banalen in den Schmutz gezerrt; wie die Dichterin auf den Rassismus, den Expansionskrieg & die Hybris des Kaiserlichen Japans reagiert hätte…Itai!Oyasumi nasai, Hotaru san.bonté
Schönes Zitat. 🙂 Mein Japanisch ist nicht so gut, aber auf der japanischen Wikipedia-Seite gibt es Hinweise auf einen arrangierten Heirat durch den Onkel. Wirklich bedauerlich. Was sie alles für Gedichte verfassen könnte…
…besagtes Zitat kam mir bei der Lektüre Deiner Zeilen in den Sinn.Arrangierte Ehen waren & sind der Kern manchen Übels in der Welt. bonté
Die letzte Strophe "No – it's where all the nameless grasses find a home." finde ich wunderschön…