[ano hito] Midori Naka, Opfer der Atombombe

ano hito (dt. jene Person) ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^

     Midori Naka (1909-1945) 

    Midori Naka ist weltweit die erste Person, deren Todesursache offiziell als eine Folge der Strahlenkrankheit (acute radidation syndrome) angegeben wurde. Sie gehört zu den Opfern des Atombombenabwurfs auf Hiroshima am 6. August 1945.

    Midori Naka wurde am 19. Juni 1909 als die dritte von vier Töchtern in Tokio geboren. Da sie Schauspielerin werden wollte, schloss sie sich nach ihrem College-Abschluss einer Dramagruppe an und konnte sich im Laufe der Zeit einen Namen als Theaterschauspielerin machen. Um den Luftangriffen in Tokio zu entkommen, schloss sie sich im März 1945 einer wandernden Theatergruppe namens Sakura-tai (dt. Kirschblüteneinheit) an, wo sie zur Hauptdarstellerin bestimmt wurde. Anfang Juni 1945 zog die Sakura-tai nach Hiroshima, wo sie den Sommer verbringen wollte. Die neun Mitglieder der Theatergruppe mieteten ein Haus, das sie mit einer anderen Theatergruppe teilte.

    Am 6. August 1945 um 8:15 Uhr fiel die Atombombe auf Hiroshima. Das Haus der Sakura-tai befand sich etwa 650 Meter entfernt von der Explosionsstelle. Von insgesamt 17 Menschen im Haus waren 13 auf der Stelle tot. Midori Naka war zu dem Zeitpunkt in der Küche, wo sie für das Frühstück verantwortlich war. Als sie wieder zu sich kam, befand sie sich unter den Trümmern des Hauses. Glücklicherweise hatte sie weder Verbrennungen noch ernsthafte Verletzungen erlitten. Sie konnte sich aus den Trümmern befreien und sprang halbnackt in den Fluss Kyobashigawa um dem Feuer entkommen zu können. Später wurde sie von Soldaten aus dem Fluss herausgeholt und zu einem Krankenlager gebracht. Auch drei weitere Mitglieder der Sakura-tai überlebten die Atombombe.

    In der Mitte ist der Fluss Kyobashigawa zu sehen, in den Midori Naka vor dem Feuer sprang.
    Die Explosionsstelle befindet sich in der Nähe der zwei Flüsse im Vordergrund. (Foto: JL Highfill, 1945)

    Nach kurzer Zeit stellte Midori Naka sowohl in ihrem Erbrochenen als auch im Stuhl Blut fest. Auch ihr Urin war schwarz geworden, was ein klassisches Symptom der Strahlenkrankheit ist. Weil ihre Schmerzen nicht nachlassen wollten und sie Angst bekam, verließ sie das Krankenlager ohne Erlaubnis, um sich auf den Weg nach Hause zu ihrer Familie zu machen.

    Da sie eine bekannte Schauspielerin war, konnte sie einen Platz in den seltenen Zügen nach Tokio bekommen. Am Abend des 9. August kam sie in ihrem Elternhaus an. Weil sie immer noch sehr krank war und keinen Appetit hatte, ließ sie sich am 16. August freiwillig in das Krankenhaus der Kaiserlichen Universität Tokio einliefern, wo sie sich von den besten Ärzten des Landes untersuchen ließ. Zu Beginn der Untersuchungen hatte sie eine Körpertemperatur von 37,8 Grad sowie einen Puls von 80 bpm. In den nächsten Tagen fielen ihre Haare aus, sie bekam am Körper eitrige Pusteln und die Ärzte stellten fest, dass die Zahl der weißen Blutkörperchen stark abgenommen hatte – von 8000 auf 300-400. Am 21. August stieg ihre Körpertemperatur auf fast 41 Grad an. Danach erklärte sie, es ginge ihr etwas besser.

    Midori Naka starb schließlich am 24. August 1945 um 12:30 Uhr – 18 Tage nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima. An diesem Tag hatte sie noch eine Körpertemperatur von 40,4 Grad sowie einen Puls von 158 bpm. Sie war das letzte noch lebende Mitglied der Sakura-tai – alle ihre überlebenden Kollegen waren bereits kurz zuvor an der Strahlenkrankheit gestorben.

    In der Zeit nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki herrschte bei der Bevölkerung viel Unsicherheit über die mysteriöse fremde Krankheit, unter der viele Opfer litten, da niemand wusste, was sie war und wie sie zu behandeln war. Das hat sich durch die ausführlichen Berichte der Medien über Midori Nakas Krankheit und Tod geändert. Auch war Midori Naka aufgrund ihrer Bekanntheit die erste Person, deren Augenzeugenbericht über die Situation in Hiroshima landesweit veröffentlicht wurde.

    Ich kann euch zum Thema zwei tolle Bücher empfehlen, auch wenn sie heute vielleicht schwer zu bekommen sind. Das erste wäre „Als die Atombombe fiel. Kinder aus Hiroshima berichten“ – ein Buch mit Aufsätzen von Kinder und Jugendlichen in den frühen 50ern, die über ihre Erfahrungen geschrieben haben. Diese Berichte sind wirklich schockierend. Und das zweite Buch ist „Meine kleine Schwester Sadako“. Sadako Sasaki überlebte als Kind die Atombombe, starb aber einige Jahre später an der Strahlenkrankheit. Sie ist für ihre tausend Papierkraniche, die sie gefaltet hat, damit ihr Wunsch, gesund zu werden, erfüllt wird, bekannt. Und dann ist da noch der Manga „Barfuss durch Hiroshima“ von Keiji Nakazawa, der auch als Anime verfilmt wurde.

    Ich hoffe wirklich, dass es niemals wieder zu einer Situation kommt, wo man auf die Idee kommt, ein Problem mit einer Atombombe lösen zu wollen. Auch die Existenz von Atomkraftwerken widert mich an aus guten Gründen

    Habt ihr schon mal von Midori Naka gehört? Habt ihr euch schon mal mit einer Atomkatastrophe und ihre Auswirkungen auf die Menschen beschäftigt? 

    || Meine [ano hito] Reihe: Machiko Hasegawa | Misuzu Kaneko ||