[ano hito] Lafcadio Hearn, Schriftsteller

ano hito (dt. jene Person)
ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren
Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen
möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^

 Lafcadio Hearn (1850-1904) 

Bis zum Ende des 19. Jahrhundert war Japan für viele in der westlichen Welt ein unbekanntes, exotisches Land. Lafcadio Hearn war der erste Schriftsteller, der sich mit diesem Land befasste. Seine Werke prägten das westliche Bild von Japan.
Lafcadio Hearn wurde am 27. Juni 1850 als Patrick Lafcadio Hearn auf der griechischen Insel Lefkada im Ionischen Meer geboren – die Insel diente auch als Namensgeber für seinen zweiten Namen. Sein Vater war Ire und seine Mutter Griechin. Mit zwei Jahren wurde er nach Dublin gebracht, wo seine Mutter jedoch unglücklich wurde und ihn sowie seinen jüngeren Bruder James der Obhut seines Vaters und seiner Großtante überließ. Sein Vater ging bald mit seiner neuen Ehefrau nach Indien, wo er verstarb.

Lafcadio Hearn erhielt seine Schulbildung in Frankreich und England an streng katholischen Schulen, eine Zeit, die ihn so sehr prägte, dass er sich von der Religion abwandte. Mit 19 Jahren wanderte er in den Staaten aus, wo er in Cincinnati sich mit Henry Watkin, einem Besitzer einer Druckerei, anfreundete. Dieser half ihm, Arbeit zu finden und lieh dem stets belesenen Hearn viele Bücher aus seiner privaten Bibliothek. Schließlich fand er Arbeit als Journalist für die Cincinnati Daily Enquirer, wo er einen Ruf als Sensationsjournalisten bekam, da er ausschließlich über grausige Morde berichtete.

Er sorgte für einen Skandal, als er 1874 die Afroamerikanerin Mattie Foley heiratete, wofür er von der Enquirer gekündigt wurde. Daraufhin arbeitete Hearn für den direkten Konkurrenten The Cincinnati Commercial und mit seinen Geschichten stieg die Auflage der Zeitung. Als die Enquirer davon erfuhr, bot sie Hearn mit der Aussicht auf einen höheren Gehalt an, wieder für sie zu arbeiten, aber Hearn schlug das Angebot aus. Er fing an, über das Leben der Arbeiterklasse sowie der entlassenen schwarzen Sklaven nach dem Bürgerkrieg zu schreiben. Die Scheidung von Foley erfolgte im Jahr 1877.

Daraufhin zog er nach New Orleans, wo er zehn Jahre lang lebte und für verschiedene Zeitungen arbeitete. Er schrieb viel über das Leben in New Orleans und beschrieb die verschiedenen ungewöhnlichen Eigenheiten dieser Stadt, die bisher nie genau dokumentiert wurden: die kreolische Küche, das French Quarter sowie die berühmt-berüchtige Voodoo-Kultur. Damit verhalf er der Stadt zu einer gewissen Reputation, die sich deutlich von den anderen Städten der USA abhob. Neben seiner Arbeit für die Zeitung arbeitete er auch als Übersetzer. Er übersetzte Werke französischer Autoren, aber auch französische und spanische Zeitungsartikel aus Europa.

1887 schickte das Harper’s Magazine Hearn zu den westindischen Inseln, wo er zwei Jahre lang als Korrespondent tätig war. Er veröffentlichtete zwei Bücher über seine Erlebnisse an diesem Ort.

1890 wurde er schließlich nach Japan geschickt. Eigentlich sollte er sich dort nur kurz aufhalten, um an einer Reportage zu arbeiten, aber das Land faszinierte ihn so sehr, dass er eine Lehrerstelle an einer Schule in der westjapanischen Stadt Matsue annahm. Dort heiratete er die geschiedene Setsu Koizumi, mit der er vier Kinder bekam. Er veröffentlichte viele Bücher über Japan, die besonders 1900 nach der Weltausstellung in Paris, wo der japanische Stil in den Bereichen Architektur und Mode vorgestellt wurde, sehr gefragt waren.

Lafcadio Hearn mit Ehefrau Setsu und Sohn Kazuo (ca. 1894/1895)

1896 wurde er japanischer Staatsbürger und er nahm den Namen Yakumo Koizumi an. Die Prinzipien des Buddhismus hinterließ bei dem Skeptiker einen tiefen Eindruck, dass er Buddhist wurde. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in Tokio, wo er an der Kaiserlichen Universität sowie an der Waseda-Universität englische Literatur lehrte. Er starb 1904 im Alter von 54 Jahren.

In Matsue, wo er seine ersten Jahre in Japan verbrachte, gibt es das Lafcadio Hearn Memorial Museum, das sich neben seiner ehemaligen Residenz befindet. Jährlich besuchen 150000 Touristen das Museum.

Lafcadio Hearn ist besonders für die Sammlung japanischer Geistergeschichten, über die er in den Büchern „In Ghostly Japan“ (1896) und „Kwaidan: Stories and Studies of Strange Things“ (1903) schrieb, bekannt. Letzteres kann ich empfehlen, wenn euch die Geschichten interessieren, das Buch wurde auch ins Deutsche mit dem Titel „Japanische Geistergeschichten“ übersetzt. Hearn hat einige von ihnen aus japanischen Büchern übersetzt, aber auch auf seinen Reisen von Bauern gehört.

Ich finde die Biografie von Lafcadio Hearn sehr interessant, besonders wenn man bedenkt, dass er von klein auf nirgendwo richtig Fuß fassen konnte und erst in Japan Wurzeln schlagen konnte. Eine Geschichte, über die Hearn geschrieben hat, stelle ich euch gerne vor, sie gehört zu meinen Favoriten. Halloween ist immerhin nah. ^____^

Hōichi, der Ohrlose (Mimi-nashi Hōichi)

Der Mönch Hōichi ist ein blinder, begnadeter Musiker. Er ist besonders bekannt dafür, die Geschichte des Clans Heike gesanglich auf seiner Biwa (japanisches Saiteninstrument) erzählen zu können. Er lebt im Amida-Tempel, wo der kindliche Tenno Antoku (1178-1185) begraben wurde, eine der Zentralpersonen in der Heike-Geschichte.

Eines Nachts wird er von einem Samurai aufgefordert, für seinen Herrn zu spielen. Hōichi wird in ein Haus mit vielen Gästen geführt, die alle von seiner gesanglichen Erzählung begeistert waren. Als der Samurai Hōichi nach Hause bringt, warnt er ihn, niemandem davon zu erzählen, da sein Herr inkognito reisen würde. In der Nacht darauf wird Hōichi wieder von ihm abgeholt, um wieder für seinen Herrn zu spielen.

Der Priester des Tempels zeigt sich beunruhigt von Hōichis Ausflügen in die Nacht und er beauftragt einen Diener, Hōichi zu verfolgen. Dieser findet ihn allein mitten auf dem Amida-Friedhof vor, wo er die Geschichte der Heike vorführte.

Für den Priester ist das klar: Hōichi wird von Geistern heimgesucht. Er bemalt Hōichis Körper mit Schriftzeichen aus der buddhistischen Herz-Sutra und trägt ihm auf, sich still und bewegungslos zu verhalten. Als der Samurai Hōichi abholen will, findet er ihn nicht vor – bis auf ein Paar Ohren in der Luft. Die Sutra hat Hōichis Körper unsichtbar gemacht, der Priester hat jedoch vergessen, auch Schriftzeichen auf den Ohren hinterzulassen. Wütend geworden, reißt der Samurai die Ohren ab, um sie als Beweis seinem Herrn vorzulegen, dass es das Einzige ist, was von Hōichi geblieben ist.

Trotz der Schmerzen bleibt Hōichi tapfer und er wurde nie wieder von Geistern heimgesucht. Nachdem er sich von seinen Wunden erholt hat, wurde er ein berühmter Musiker.

Habt ihr schon von Lafcadio Hearn gehört?
Mögt ihr japanische Geistergeschichten? 

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