[ano hito] Ine Kusumoto, Ärztin

ano hito (dt. jene Person)
ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren
Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen
möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^

 Ine Kusumoto (1827-1903) 


Oranda O-Ine – die niederländische O-Ine – so wurde die erste Ärztin Japans, die nach westlichem Vorbild arbeitete, genannt.

Ine Kusumoto wurde am 31. Mai 1827 auf der Insel Dejima bei Nagasaki als Tochter des Würzburger Arztes Philipp Franz von Siebold (1796-1866) und der Kurtisane Taki Kusumoto (1807-1869) geboren.


Seit Japan sich Mitte des 17. Jahrhunderts vom Rest der Welt isoliert hatte, war die künstlich erschaffene Insel Dejima die einzige Anlaufstelle für den Westen, Handel mit den Japanern betreiben zu können. Philipp Franz von Siebold, Militärarzt im Dienste der Niederländer sowie Naturforscher, kam 1823 nach Aufenthalten in Ost-Indien und Indonesien nach Japan, um auf Dejima eine Arztstelle zu antreten. Da Ärzte nichts mit dem Handel zu tun haben und westliche Medizin in Japan hoch respektiert wurde, hatten sie gegenüber den Händlern mehr Möglichkeiten außerhalb der Insel mit den Japanern in Kontakt zu kommen, besonders mit japanischen Ärzten, Gelehrten und an der westlichen Welt interessierten Landsherren. Da der Aufenthalt westlicher Frauen auf Dejima untersagt war, gingen die meisten eine Verbindung mit Kurtisanen aus dem Vergnügungsviertel Nagasakis ein. Auch von Siebold knüpfte eine Beziehung zu der Kurtisane Taki. 1827 kam die gemeinsame Tochter Ine Shiimoto (der Nachname leitete sich von dem Wort ‚Siebold‘ ab) zur Welt.

Die künstliche Insel Dejima war von 1636 bis 1854 der einzige Kontakt zur Außenwelt.
Keiga Kawahara (1786-1860) – Blick von Dejima auf ankommende Schiffe
Auf diesem Bild ist von Siebold mit Taki und der kleinen Ine zu sehen.

1828 ging von Siebolds Dienstzeit zu Ende. Bei der Ausreise flog auf, dass er heimlich Sachen, deren Ausfuhr aus Japan verboten war, aufs Schiff geladen hatte. Am 22. Oktober 1829 wurde er aus Japan wegen Schmuggel verbannt.

Von Siebold hinterließ seiner Tochter einige Bücher, um die niederländische Sprache zu lernen und ließ dafür sorgen, dass seine Schüler, die er in westlicher Medizin unterrichtet hatte, sich um Taki und Ine kümmern würden.

Im Fürstentum Okayama fing Ine 1845 – mit 18 Jahren – an, Obstetrik (Geburtshilfe) unter einem Schüler von Siebolds zu studieren. 1851 wurde sie von diesem schwanger, es ist eher wahrscheinlich, dass sie von ihm vergewaltigt wurde. Nach der Geburt ihrer Tochter Tada brach sie den Kontakt zu dem besagten Vater ab und vertraute Tada (die später den Namen Takako erhielt) der Obhut ihrer Mutter Taki an, um ihre Studien fortsetzen zu können.

1854 studierte sie in Nagasaki unter einigen Schülern ihres Vaters. In diesem Jahr endete die Isolation Japans – mit der Öffnung kehrte auch Ines Vater Philipp Franz von Siebold 1859 nach Japan zurück. Sein 13jähriger Sohn Alexander begleitete ihn, um das Land zu kennenlernen, weshalb er auch Japanisch-Unterricht erhielt. Ine lebte zunächst gemeinsam mit ihnen in einem Haus, zog aber bald wieder aus, da die Beziehung zwischen Ine und ihrem Vater wegen der Sprachbarriere gespalten war, außerdem wurde ihrem Vater vorgeworfen, eine Haushälterin geschwängert zu haben. 1862 kehrte von Siebold nach Deutschland zurück, wo er 1866 in München verstarb.

In Nagasaki hatte der niederländische Arzt J. L. C. Pompe van Meerdervoort 1861 das erste japanische Krankenhaus nach westlichem Vorbild eröffnet: das Nagasaki Yōjōsho. Ine bekam die Möglichkeit, auf der Frauenstation zu arbeiten und bei Operationen zu assistieren. In diesem Krankenhaus fand die erste dokumentierte Autopsie an einem Menschen in Japan statt und Ine wurde die erste Japanerin, die Zeugin einer Autopsie wurde.

Das Nagasaki Yōjōsho bestand von 1861 bis 1868 – danach wurde es in die medizinische Fakultät der Universität verwandelt.

Ines Ruf gewann die Gunst des daimyō (Fürst) von Uwajima, Date Munenari. Um ihre deutsch-japanische Herkunft zu verschleiern, ließ der daimyō ihren Namen in Itoku Kusumoto ändern. Neben der Arbeit im Krankenhaus war sie fortan in seinen Diensten tätig – häufig musste sie zwischen Nagasaki und Uwajima pendeln. Bei der Geburt eines Kindes des daimyō war sie anwesend.

1869 bildete sie sich unter dem Niederländer Antonius Bauduin weiter, der sich auf Ovariektomie (Eierstockentfernung) spezialisiert hatte. Danach wurde sie an die medizinische Fakultät einer Universität in Tokio beordert. Dort hielt sie Kontakt mit ihren Halbbrüdern Alexander und Heinrich von Siebold, die als Diplomaten sowie Übersetzer für ausländische Gesandtschaften tätig waren. Durch ihre Verbindungen mit einigen Gelehrten war sie ebenfalls bei einer Geburt im Kaiserhaus anwesend – eine Konkubine des Kaisers Meiji. Später eröffnete sie ihre eigene Praxis im Tokioter Stadtviertel Tsujiki.

Ab 1875 mussten alle, die im medizinischen Bereich tätig sein wollten, ein Medizinstudium nachweisen können. Frauen waren zunächst vom Studium ausgeschlossen. Da Ine trotz ihrer langjährigen Erfahrung keine nachweisbaren Qualifikationen besaß, musste sie ihre Praxis schließen. Erst ab 1884 war es für Frauen möglich, die Aufnahmeprüfung für ein Medizinstudium zu machen. Mit ihren 57 Jahren fühlte Ine sich jedoch bereits zu alt und entschied sich dafür, in Nagasaki eine Lizenz als Hebamme zu bekommen.

1889 ließ sie sich in Tokio nieder, in einem Haus westlicher Art, das ihre deutschen Halbbrüder für sie bauen ließen. Einige Jahre später zog sie sich aus ihrem Beruf zurück.

Ine Kusumoto mit ihrer Tochter Takako (um 1900)

Ine Kusumoto starb am 27. August 1903 im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung. Sie hatte nie geheiratet. Ihre Tochter Takako fing ebenfalls eine Ausbildung als Geburtshelferin an, gab diesen Beruf aber später auf. Sie war zweimal verheiratet und bekam vier Kinder. Nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns lebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter in Tokio, wo sie 1938 verstarb. Ihre Nachfahren verwalten heute zusammen mit ihren deutschen Verwandten das Erbe der von Siebolds in Japan – Ines Vater „Shiboruto-san“ ist in Japan nämlich recht bekannt und daher werde ich ihn auch später genauer vorstellen.

Habt ihr schon mal von Ine Kusumoto gehört? ^__^