[ano hito] Shizue Katō, Feministin

ano hito (dt. jene Person) ist eine kleine Reihe, in der ich eine(n) Japaner(in), dessen/deren Biografie/Werke/etc. ich interessant finde, ein wenig näher vorstellen möchte. Auch Nichtjapaner, die einen besonderen Bezug zu Japan haben, werden ebenfalls vorgestellt. ^_____^

 

 Shizue Katō (1897-2001) 

Eine Begegnung mit Margaret Sanger, eine amerikanische Aktivistin für Geburtenkontrolle, führte dazu, dass sie sich in ihrem Heimatland ebenfalls für Geburtenkontrolle engagierte und später als erste Frau in das japanische Parlament gewählt wurde.

Shizue Katō wurde am 2. März 1897 in Tokio als Shizue Hirota in eine einflussreiche Familie geboren. Nach dem Abschluss an einer Mädchenschule 1914 heiratete sie im Alter von 17 Jahren den zehn Jahre älteren Baron Keikichi Ishimoto, ein Bergbauingenieur. Kurz nach der Heirat zogen sie berufsbedingt nach Westjapan um, wo sie in der Nähe des größten Kohlebergwerk Japans, die Miike-Mine, lebten. Die miserablen Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter erschütterten das humanistisch eingestellte Paar sehr. Männer krochen nackt durch die schmutzigen Gänge, während Frauen, entweder schwanger oder mit kleinen Kindern, schwere Körbe voll Kohle schleppen mussten. Aus nächster Nähe erlebte Shizue Ishimoto mit, wie Frauen mit ungewollten Schwangerschaften zu kämpfen hatten, von denen die meisten Kinder schon in den ersten Lebensjahren starben.

Frauen bei der Arbeit in der Miike-Mine
Bergarbeiterinnen der Miike-Mine (Foto: um 1925)

Nach drei Jahren war die eigene Gesundheit des Paares selbst so schlecht, dass es sich dazu entschloss, 1919 in die USA zu reisen. Baron Ishimoto ermutigte seine Frau dazu, aus der Rolle der devoten Frau herauszutreten und ein unabhängigeres Leben zu führen. Shizue Ishimoto besuchte daraufhin einen Englischkurs und absolvierte später eine Ausbildung als Sekretärin. Durch den sozialistisch geprägten Bekanntenkreis ihres Mannes hörte sie erstmals von Margaret Sanger, die seit 1914 aktiv für Geburtenkontrolle warb. Ihre Reden inspirierte sie dazu, in ihrem Heimatland sich ebenfalls für Geburtenkontrolle einzusetzen, damit Frauen nicht das Schicksal ungewollte Kinder zur Welt bringen zu müssen erleiden mussten. 1921 kehrte sie nach Japan zurück, wo sie eine Arbeit als Privatsekretärin bei der Young Women’s Christian Association fand. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, westlichen Touristen Land und Leute zu zeigen.

Shizue Kato mit Margaret Sanger und deren Sohn
Shizue Katō mit Margaret Sanger und deren Sohn (Foto: 1922)

Während Margaret Sanger für ihren Aktivismus in den USA Widerstand aus der religiösen Ecke erfuhr, war es bei Shizue Ishimoto viel schwieriger, da sie es gleich mit dem militaristischen Regime in Japan zu tun bekam. Das Thema Geburtenkontrolle war für die pronatalistisch eingestellte Regierung in den 20ern und 30ern ein Dorn im Auge, selbst in gebildeten Kreisen galt es als unvorstellbar so etwas zu diskutieren. Als Margaret Sanger 1922 nach Japan kam, wurde ihr zunächst der Einlass verwehrt und schließlich ihr verboten, öffentlich über Geburtenkontrolle zu sprechen. Mit Shizue Ishimotos Hilfe konnte sie jedoch erfolgreich im Land reisen und ihre Reden halten.

Schließlich begann Shizue Ishimoto ebenfalls Reden zu halten und einige Artikel zu veröffentlichen. Sie argumentierte, dass durch die Familienplanung Frauen ein unabhängigeres Leben führen könnten, indem sie erstmal Geld verdienen könnten, ohne sich gleich um Kinder kümmern zu müssen. Familien könnten außerdem bei wenigen Kindern besser für sie finanziell sorgen und dies würde auch für die Kinder mehr Bildungschancen im Leben bedeuten. Ihr selbstbewusstes Auftreten empörte viele Japaner, denn es widersprach der japanischen Vorstellung der devot ergebenenen Ehefrau.

Bis zum Ausbruch des chinesisch-japanischen Krieges im Jahr 1937 kämpfte Shizue Ishimoto unermüdlich dafür, Frauen über Verhütungsmittel zu informieren und 1934 konnte sie trotz der Vorbehalte seitens der Regierung eine Beratungsstelle für Familienplanung eröffnen. Im Jahr des Kriegsausbruchs ließ die Regierung Shizue Ishimoto verhaften, aus dem Grund, dass sie „gefährliche Gedanken“ verbreitete. Sie musste zwei Wochen im Gefängnis verbringen und ihr Aktivismus wurde ihr strengstens verboten. Das Militär, das junge fähige Männer für die Front brauchte, fuhr stattdessen durch die Straßen mit Lautsprechern, um den Slogan „umeyo fuyaseyo“ („Gebärt, vermehrt euch!“) zu verbreiten.

Baron Ishimoto ging daraufhin in die Mandschurei, um an einer sozialistischen Revolution zu teilnehmen, weshalb Shizue Ishimoto allein für sich und ihre zwei Söhne, von denen einer später an Tuberkulose verstarb, sorgen musste. Als sie nichts mehr von ihrem Mann hörte, bekam sie das Erlaubnis, sich von ihm scheiden zu lassen und heiratete 1944 den Sozialisten Kanju Katō, mit dem sie 1945 im Alter von 48 Jahren eine Tochter bekam.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Wahlrecht für Frauen eingeführt. Shizue Katō ließ sich für die Sozialistische Partei Japans zur Wahl in das japanische Parlament bzw. in das Unterhaus aufstellen, wo sie für Demokratie nach amerikanischem Stil, für Familienplanung und bessere wirtschaftliche Chancen für Frauen im Arbeitsleben warb. Die Idee der Geburtenkontrolle fand diesmal viel Anklang bei der Bevölkerung, schließlich waren nach Kriegsende etwa 10 Millionen Menschen dem Hungertod nah gewesen.

1946 wurde Shizue Katō erfolgreich als erste Frau in das Unterhaus gewählt. Allerdings wurde sie im von Männer dominierten Parlament schnell an den Rand gedrängt. Dennoch kämpfte sie weiter dafür, ihre Ziele zu erreichen und konnte erstmals eine Kundgebung organisieren, an der nur Frauen teilnehmen durften.

Shizue Kato sitzt an ihrem Platz im Unterhaus
Shizue Katō im Unterhaus (Foto: 1946)

1950 wurde sie in das Oberhaus gewählt, dem sie 24 Jahre lang angehörte. Dort konnte sie ihre Ziele erfolgreich umsetzen, unter anderem die Einrichtung eines Frauenreferats im Arbeitsministerium, die Legalisierung von Verhütungsmethoden sowie die Abschaffung des feudalen Familiensystems, in dem nur der Patriarch einer Familie das Sagen hatte und Frauen, besonders die, die in eine andere Familie einheirateten, einen niedrigen Stand hatten.

1948 gründete Shizue Katō die Japan Family Planning Association (JFPA), der japanische Zweig der International Planned Parenthood Federation (IBBF). Sie blieb Margaret Sanger bis zu deren Tod im Jahr 1963 freundschaftlich verbunden.

Shizue Kato mit Margaret Sanger, die eine kleine Statue in den Händen hält
Margaret Sanger und Shizue Katō bei einer Konferenz der IPPF in Japan (Foto: 1955)

Auch im Ruhestand setzte Shizue Katō sich unermüdlich für feministische Themen ein. 1988 wurde sie für ihre Arbeit mit dem United Nations Population Award geehrt. Sie wird dafür gewürdigt, mit ihrer Arbeit in Japan die Zahl der Abtreibungen sowie die Sterblichkeitsrate bei Müttern und Babys erheblich gesenkt zu haben. 1996 wurde ein Award nach ihr benannt, der an Organisationen, die sich für Geburtenkontrolle, Fortpflanzungsmedizin und Stärkung der Frauenrechte in Entwicklungsländern stark machen, verliehen wird.

Shizue Katō starb am 22. Dezember 2001 im Alter von 104 Jahren.

 

Nach Shizue Katō fanden einige Frauen den Weg ins japanische Parlament. Die Liberaldemokratin Masa Nakayama (1897-1976) wurde 1960 die erste Frau mit einem Ministeramt (Gesundheit & Soziales). Die Sozialistin Takako Doi (1928-2014) sorgte für weitere Meilensteine. 1966 wurde sie Vize-Vorsitzende einer Partei, schließlich 1986 Vorsitzende. 1993 wurde sie Präsidentin im Unterhaus, bis heute das mächtigste Amt, das jemals von einer Frau bekleidet wurde.

Kabinett von Premierminister Ikeda: Das Gruppenfoto zeigt eine Frau umgeben von mehreren Männern
Masa Nakayama war Teil des Kabinetts von Premierminister Hayato Ikeda (Foto: 1960)
Takako Doi sitzt vor einem Redner, der an einem Redepult steht
Takako Doi war von 1993 bis 1996 die Präsidentin im Unterhaus (Foto: Jiji Press Ltd., 1995)

Auch heute noch sind Frauen in der japanischen Politik stark unterrepräsentiert. Bei der letzten Unterhauswahl in Japan am 22. Oktober 2017 wurde festgestellt, dass weniger als 20% von 1180 Kandidaten weiblich waren. Unter den 465 gewählten Abgeordneten befanden sich nur 47 Frauen, das entspricht 10,1% der Abgeordneten. Damit liegt Japan auf Platz 158 von 193 Ländern (Deutschland liegt übrigens auf Platz 46, Platz 1 geht an Ruanda). Es gibt also noch viel zu tun…

Habt ihr schon mal von Shizue Katō gehört? Wie findet ihr sie?